Michael Merk hört in der ersten Mannschaft auf
Ehinger Handballlegende, TV-Urgestein, Fußballgott im Training, nimmermüder Abwehrspezialist, einziger noch aktiver Vertragsspieler – nach etlichen Saisons ist am Ende der aktuellen Spielzeit Schluss in der ersten Herrenmannschaft. Wie fühlt sich das an?
Sicherlich ist das ein etwas komisches Gefühl. Mir ist vor Kurzem aufgefallen, dass ich beinahe mein halbes Leben in der ersten Mannschaft Handball gespielt habe.
Bei meinem ersten Spiel in der damaligen Oberliga hieß der Trainer noch Dirk Arndt, der Kapitän Frank Beising und ich spielte mit Spielern wie Gregor Völker, Rora Komin, Horst Ciornei, Ingo Dreher oder Nucky Schoch zusammen. Unsere Betreuer hießen damals Paul Küchler und Klaus Schöbe, der Zeitnehmer Hans Beccara und der Abteilungsleiter Joachim Garcia. Nur der 1. Vorsitzende hieß auch damals schon Kurt Küchler. :-)
Unser heutiger „Benjamin“ Jonas Schmidt wurde übrigens erst ein Jahr später geboren, das Internet steckte noch in den Kinderschuhen und in Deutschland wurde mit D-Mark bezahlt.
Wofür bist Du besonders dankbar?
In erster Linie für die Unterstützung die ich all die Jahre erfahren durfte. Sei es zuerst natürlich durch meine Familie, aber ebenso durch den Verein. Hier geht natürlich ein großer Dank an unseren Vorstand Kurt Küchler und „Infrastrukteur“ Harald Schütz.
Nicht weniger gilt es den treuen Fans Danke zu sagen, welche mich die ganze Zeit über begleitet und mit ihrem Besuch unserer Heimspiele unterstützt haben. Ich hoffe natürlich, Sie halten der 1. Herren und dem TV Ehingen insgesamt weiterhin die Treue.
Und nicht zuletzt bin ich besonders dankbar, dass ich von wirklich großen Verletzungen verschont wurde und somit den Zeitpunkt für das „Karriere“-Ende selbst bestimmen durfte.
Was war Dein größter Sieg im grün-weißen Ehinger Trikot?
Da es leider nie zu einem Aufstieg gereicht hat, bleibt seit vielen Jahren mein größter Sieg das Spiel aus der A-Jugend bei der HSG Singen/Gottmadingen, welches wir mit 24:19 gewonnen haben. Aber auch gerade die Derbysiege während meiner Zeit als Aktiver zählen für mich in die Kategorie "größte Siege". Hier an vorderster Front der Sieg in der Münchriedhalle gegen die DJK Singen, in einer Situation, in der wir wirklich mit dem Rücken zur Wand standen. Wir konnten knapp mit einem Tor gewinnen und in der Folge auch deshalb den Nichtabstieg sichern. Zwar endete das Match für mich mit meiner ersten roten Karte und mit Tumulten nach Schlusspfiff, aber in der Rückschau nehmen wir auch dies gerne mit.
Große Siege waren auch meist die Heimspiele gegen die jeweiligen Topteams der Liga, die sich in der Eugen-Schädler-Halle traditionell immer schwertaten.
Was war Deine größte Niederlage?
Ganz schwer zu verkraften sind hier die äußerst seltenen Niederlagen beim Kicken gegen Team Jung.
Handballerisch denke ich z. B. an eine Saison, in der der TV Grenzach mit nur vier Pluspunkten abgestiegen ist. Dreimal dürft ihr raten, gegen wen Grenzach diese beiden Siege geholt hat…
Eine weitere Niederlage, wenn auch mehr theoretischer Natur, war sicherlich auch der Abstieg aus der Südbadenliga. Wie bereits oben erwähnt hat es für mich leider nie zu einem Aufstieg gereicht. Lange Zeit konnte ich aber immerhin auch von mir behaupten, nie abgestiegen zu sein. Leider erfuhr diese Statistik dann doch noch einen Dämpfer, als ich wenige Spieltage vor Saisonende personalbedingt doch wieder in der ersten Mannschaft mitmischen durfte und wir dann gemeinsam den quasi bereits feststehenden Gang in die Landesliga antreten mussten.
Vervollständige bitte folgenden Satz: Micha Merk war ein solch guter Rechtsaußen, weil…
…er zusätzlich zu seiner weitbekannten Abwehrstärke pfeilschnelle Konter laufen konnte und mit solch enormem Repertoire an verschiedenen Würfen jeden Gegner alleine an die Wand spielen konnte (lacht).
Nein im Ernst sollen das gerne andere beurteilen. Insgesamt bin ich stolz darauf, dass ich über solch einen langen Zeitraum mithelfen konnte, das Flaggschiff des TV Ehingen soweit auf Kurs zu halten.
Was wirst Du im handballerischen Ruhestand besonders vermissen?
Wahrscheinlich werde ich den feinsten Malle-Sound (bzw. neuerdings auch die 80er-Mukke in der Kabine) vermissen. Außerdem sicherlich die dummen Kommentare und Fachsimpeleien mit den Mannschaftskollegen.
Ansonsten fürchte ich, dass die Spiele vor vielen Zuschauern zur Primetime nun wohl eher der Vergangenheit angehören dürften. Wobei man an der „Primetime“ ja vielleicht noch was dran drehen kann. Ich kenne da jemanden…
Ohne Deine überragenden läuferischen Fähigkeiten, ohne Deine Übersicht, ohne Deine fußballerischen Fähigkeiten – Wie soll Team Alt die Fußballspiele im Training nach Siegen zukünftig gewinnen?
Die Frage stellt sich mir tatsächlich auch. Vor allem, wenn man sieht, was für Talente Team Jung in nächster Zeit aufzubieten hat. Was mich in dieser Frage aber beruhigt, ist das Wissen, dass am Ende immer Team Alt gewinnt (wie auch immer).
Hand aufs Herz: Ganz ohne Handball und den TV Ehingen kannst Du nicht. In welcher Funktion sehen wir Dich wieder?
Das dürfte tatsächlich so sein. Für nächste Saison freue ich mich, in eine echte Meistermannschaft eintreten zu dürfen und einige von meinen ehemaligen Mitspielern in der dritten Herrenmannschaft endlich wieder zu treffen.
Ansonsten gibt es ja noch weitere Funktionen abseits des Spielfeldes, die ich bereits schon mal gemacht habe oder aktuell noch weiterhin mache: Beisitzer in der Vorstandschaft, Webmaster, Trai-ner, Betreuer, Zeitnehmer, Schiedsrichter (da scheint es aktuell insgesamt Bedarf zu geben), … Vielleicht ist da in Zukunft ja mal wieder was dabei.
Aber auch eine politische Karriere wäre denkbar. Ich habe mich zur Gemeinderatswahl aufstellen lassen und hoffe darauf, gewählt zu werden. Zeit habe ich jetzt ja genug, wenn ich nicht mehr ins Training muss (grinst).
Eure kleine Ida wuselt bei jedem Heimspiel im Ehinger Trikot durch die Halle. Deine linke Kleber hat sie aller Voraussicht nach nicht. Auf welcher Position sieht der Handball-Papa Micha seine Kleine mit 16 Jahren?
Naja, meinen Traum von der Beidhändigkeit (Linkshänder kann ja jeder) habe ich noch nicht ganz begraben. Damit und natürlich dem vereinten Handball-Sachverstand der Eltern, Onkel, usw. sehe ich sie dann natürlich variabel im Rückraum.
Linkshänder sind rar: Muss sich der TV Ehingen auf Deiner Position Sorgen um die Zukunft machen?
Diese Saison hatten wir schon Trainings mit ähnlich vielen Linkshändern, wie Rechtshändern. Somit sind wir in der Masse auf jeden Fall gut versorgt. Aus der Jugend kommen mit Jonas Schmidt und Manuel Hohlwegler außerdem junge hoffnungsvolle Talente, die diese Position auf jeden Fall gut füllen können, bzw. ja auch bereits schon ausgezeichnet gefüllt haben.
Wenn Du Deine Zeit beim TV Ehingen in fünf Sätzen zusammenfassen musst, welche wären dies?
Ich debutierte mit 17 Jahren in der Oberliga beim äußerst illustren Auswärtsspiel in Ottenhöfen (ich sage dazu nur baumlanges Krasnodar und gefährlicher Strobel und ja, ihr Jungen: früher gingen Auswärtsfahrten trotz - oder gerade wegen - Hans‘ berühmter Abkürzungen auch gerne mal knapp 3h).
Über die vielen Jahre durfte ich mit den unterschiedlichsten Mitspielern zusammenspielen: coole Typen, die zu langjährigen Freunden wurden; „Spezialisten“, die sicher auch irgendwelche Inselbegabungen hatten (aber wohl eher nicht im handballerischen Bereich) und nicht zuletzt Typen, die ich nicht in der Sauna treffen möchte.
Außerdem hatte ich das Glück unter den verschiedensten Coaches zu trainieren: da gab es z. B. den laufverrückten Stretching-Fanatiker, den Phrasendrescher oder den Wir-reden-noch-Vollprofi. Nebenbei durfte ich mir lange Jahre als Mannschaftskassen-Kassierer Freunde machen und wurde auch nach meiner kurzen „Hausbau-Auszeit“ wieder gerne und gut im Kreis der Herren 1 aufgenommen.
Wenn mittlerweile aber auch die kleinsten Blessuren immer öfter auftreten und das Auskurieren immer länger dauert und spätestens sobald man an der Ehinger Theke gesiezt wird, ist es an der Zeit, kürzer zu treten.
Wird die Nummer 3, die Du stets getragen hast, neu vergeben werden? Oder kommt sie in die Hall of fame des TV Ehingen?
Nein, nein... da müssten schon ganz andere Trikots von Ehinger Handball-Größen hängen. Von daher würde ich mich freuen, wenn sie auch weiterhin getragen wird.
Was gibst Du Deiner Mannschaft mit auf den Weg für die neue Saison?
Weiter Gas geben und sich vielleicht noch etwas mehr auf den Handball konzentrieren. Wenn das Zusammen- und Füreinander-Spiel noch optimiert wird, kann die Truppe in den nächsten Jahren Großes erreichen und jeden Gegner kalt machen wie eine Fanta.
Und ein ganz wichtiger Tipp zum Schluss: Handball darf gerne auch mit Hirn gespielt werden.
Die Fragen für das Time Out stellte unser Reporter Matthias „Matze“ Güntert.